Fazit der Fußball-EM 2024

Dieser Text wurde als Gastkommentar in der "DiePresse" am Dienstag, dem 16. 07. 24 veröffentlicht.

Fazit der Fußball-EM 2024

 

Meinen ersten GK verfasste ich am 25 Juni. Nun schreibe ich die letzten Zeilen meines zweiten Textes, nach dem Finale, und liste als Fazit sechs Aspekte auf.


Erstens: Spanien. Die Südeuropäer sind ein verdienter Fußballeuropameister 2024! Die Iberer glänzten durch famoses Offensivspiel, technisch-taktische Brillanz und defensive Stärke. Sie besitzen fantastische Spieler und einen grandiosen Trainer. Luis de la Fuente (63) ist das Antonym vieler sich selbst inszenierender Trainer. Ruhig, besonnen und vorbildhaft, wenn es beispielsweise darum geht seine sich echauffierenden Spieler auf die Ersatzbank zurückzubeordern.


Zweitens: Die besten Spieler. Meine Best-Of-Five: A. Güler: 19-jähriger, aufstrebender, türkischer Linksfuß, der als Vollstrecker und Assistgeber glänzte; Rodri: das Gehirn – „Cerebro“ – des Europameisters, der unauffällig, aber enorm wirksam das Tempo des Spieles bestimmte; F. Wirtz: deutscher Jungstar, der den ersten und den letzten Treffer für die Deutschen schoss; D. Costa: der portugiesische Torhüter parierte wahrnehmungsorientiert drei Strafstöße im Elfmeterschießen gegen Slowenien. L. Yamal: der 17-jährige Shooting-Star; jüngster Spieler und Torschütze einer EM; bestach durch Unbekümmertheit und erstaunliche Reife; seine Assists (u. a. im Finale) und sein Traumtor im HF waren sehenswert.

Drittens: Spielregeln. VAR. Handspiel. Wenn schon der Video Assistant Referee (VAR) eingesetzt wird, dann müssen Zentimeterentscheidungen akzeptiert werden (Hjulmand; siehe Hawk-Eye). Zugleich sollten aber Schiedsrichterurteile am Platz wieder in den Fokus gerückt und akzeptiert werden, denn die „VAR“-Nehmung“ kann durch die unreale Geschwindigkeitsreduzierung durchaus falsch liegen. Laut Ex-Schiri Urs Meier waren die beiden Handspiele von Andersen und Cucurella nicht strafbar und meiner Meinung nach wäre auch das Foul an Kane im HF (Strafstoß) nicht zu ahnden gewesen.

Viertens: Österreich. Im AF-Spiel Österreich gegen die Türkei wurde wieder einmal deutlich, dass das Fußballspiel ein komplexes System ist. Alles hängt mit allem zusammen und mitunter können „kleine“ Ereignisse (zwei Eckstöße) „große“ Auswirkungen (Gegentreffer) haben und ein von Österreich beherrschtes Spiel in eine Niederlage verwandeln. Die Türken hätten in der Verlängerung nicht mehr zusetzen können. Die vier Spiele des österreichischen Nationalteams waren fulminant. Die Basis: ein einheitlicher, von allen vollzogener Rangnick-Masterplan und ein immenser Teamspirit, der sich innerhalb des Teams als auch wechselseitig durch die famose Unterstützung der österreichischen Fans hochschaukelte.

Fünftens: Zukunft. „Künstliche Intelligenz“. Ich wage den mutigen Blick in die Zukunft und behaupte, dass die „KI“ bald für eine annähernde Gerechtigkeit sorgen wird. Mathematische Berechnungen ermitteln am Schluss des Spieles, welches der beiden Teams mehr Torchancen kreierte und dem Sieg näher war. Diese Mannschaft bekommt einen Punkt hinzu, wobei ein Unentschieden wie bis dato einen Punkt pro Team und ein Sieg zwei statt drei Punkte einbringt. Somit gibt es immer einen Sieger, 2:1- oder 3:0-Punkte. Apropos: AF-KO-Spiel Österreich gegen die Türkei. Am Ende des Spieles stand es 1:2. Österreich spielte mehr Torchancen heraus und würde dann einen „Treffer“ hinzubekommen. Fazit: 2:2, Verlängerung! Utopie? Ein wirrer Gedanke oder doch bald Realität?

Sechstens: Veranstalter. Deutschland war ein exzellenter Gastgeber. Volle Stadien, perfekte Organisation und professioneller Ablauf.

 

Dr. Johannes Uhlig,

Sportwissenschafter und Pädagoge am ISBW der Universität Wien; aktuelles Buchprojekt: „Und Fußball ist doch ein Spiel und beginnt mit einer Standardsituation!“

©Andreas Stuchlik